Logischerweise führt Arbeiten im Standard zu höherer Wertschöpfung. Dafür gibt es mindestens vier gute Gründe: konstant kurze Durchlaufzeiten, reproduzierbare Qualität, geringere Variation und erprobte Prozessstabilität. Dennoch galt das Prinzip „Einmal entwickelt – immer nutzbar“ lange Zeit als inkompatibel mit den Erfordernissen der Konstruktion im Sondermaschinen- und Anlagenbau. Regelmäßig scheiterte die angedachte Liaison von standardisierten Prozessen bzw. immer gleichen Wiederholteilen mit individuellen Kundenansprüchen an der Komplexität der Realität.
Die WICKERT Maschinenbau GmbH geht die Herausforderung von der Datenseite her an. Denn mit der Implementierung von Autodesk Vault Professional (Produktdatenmanagement) schaffte das Unternehmen die Voraussetzungen für Etablierung, Verwaltung und Verwendung von mehr automatisierten Konstruktionen, sprich: Standards, und Wiederholteilen. Autodesk Vault unterstützt Konstrukteure und Ingenieure konkret bei der Verwaltung ihrer Konstruktionsdaten und Dokumentationen. Sowohl in der mechanischen, hydraulischen als auch in der elektrotechnischen Konstruktion sehen sich die innovativen Südpfälzer mit der Komplexität ihrer auf Losgröße 1 ausgerichteten Firmenstruktur konfrontiert. Wurden Lösungen früher mit viel Fleiß und Akribie im Engineering-to-order-Verfahren immer aufs Neue entwickelt, weicht das Prinzip heute zunehmend standardisierten Prozessen und dem Einsatz von Wiederholteilen. Das ist nicht nur betriebswirtschaftlich indiziert, sondern senkt auch das Fehlerpotenzial manueller Konstruktionen. Den dafür notwendigen Rationalisierungsschub trägt zu guten Teilen die IT-Infrastruktur. Umsetzungspartner der ersten Stunde war und ist dabei CIDEON, Autodesk Platinum Partner.
Das Engineering-Unternehmen integrierte nicht nur die Autodesk-Autorenwerkzeuge, sondern entwickelte 2018 auch die Schnittstelle von Autodesk Vault zur ECADLösung EPLAN Electric P8. Die Initialzündung für die Nutzung eines professionellen PDM-Systems war übrigens nicht der explizite Wunsch nach höherem Ertrag durch mehr Effizienz. „Die Umstellung von 2D auf 3D war der ausschlaggebende Punkt für die Einführung von Autodesk Vault“, erinnert sich IT-Leiter Ronald Fischer. „Die Datenmenge bei 3D erhöht sich eben um ein Vielfaches. Wir wollten alles aus einer Hand und stets verfügbar haben.“ Das ist der eine Grund, warum das PDM-System bei WICKERT enorme Datenmengen – inzwischen auch aus der elektrotechnischen Konstruktion – verwalten und weiterverarbeiten muss. Zur riesigen Menge an Engineering-Daten aus Autodesk Inventor, AutoCAD und EPLAN Electric P8 trägt erhebliches organisches Wachstum in den Kernmärkten Deutschland, Europa und Amerika bei.
Ins Gewicht fällt außerdem „der Trend zu insgesamt immer größeren und komplexeren Pressensystemen“, wie Jonathan Valendzik, Projektleiter in der mechanischen Konstruktion und Autodesk Vault Key User, erörtert. Übrigens erweiterte WICKERT auch deswegen seine Fertigungskapazitäten im Jahr 2020 um zwei weitere Montagehallen.
Wickert Maschinenbau GmbH
Der Mut, wie seinerzeit mit 3D-Konstruktion und PDM-System technisches Neuland zu betreten, prägt die WICKERT Maschinenbau GmbH seit knapp 120 Jahren. Mitten in Deutschlands vielleicht bekanntester Weinanbauregion begann WICKERT 1901 mit der Produktion der ersten hydraulischen Doppelkorb-Weinpressen. Heute erwirtschaften 172 Mitarbeiter – darunter über 40 Mitarbeiter in der Entwicklung – 37 Mio. Euro Umsatz (2019) mit Pressen, Pressensystemen und Dienstleistungen rund um die Herstellung von Formteilen. Allein 2019 wurden 75 Pressen ausgeliefert. WICKERT Pressen finden unter anderem Anwendung in Produktionsumfeldern, in denen Elastomere, Composites, Kunststoffe und Pulver verarbeitet sowie Brems-, Kupplungsbeläge und Schleifscheiben hergestellt werden. Am Stammsitz Landau konzentriert sich das Knowhow: Hier, am einzigen Fertigungsstandort weltweit, verfügt das Unternehmen mit dem Slogan „Mehr als Standard“ über fünf Montagehallen mit einer Fläche von rund 3.000 m². Die gesamte Fertigungsfläche beläuft sich auf 8.400 m².
Schlanke Konstruktion - neue Geschäftsfelder
Was an Aufträgen in Fertigung und Montage landet, ist im Jahr 2020 in der Tat weit mehr als Standard. Das hängt damit zusammen, dass die WICKERT Konstruktion prozessual inzwischen so schlank aufgestellt ist, dass Handlungsspielraum für die Erschließung neuer Geschäftsfelder verbleibt. Und die – in Produkte umgesetzt – landen irgendwann als Bauteil, Baugruppe und Zeichnung ebenfalls in Autodesk Vault, der Single Source of Truth, die über eine bidirektionale Schnittstelle mit dem ERP-System im Hause verbunden ist. Stand Sommer 2020 finden sich in Vault 93.450 Bauteile (.ipt), 25.800 Baugruppen (.iam) und 7.500 Zeichnungen (.dwg). Und täglich werden es mehr: „Wir haben gerade in den letzten Jahren viel Know-how bei den Transfer- und Handlingsystemen rund um die Presse aufgebaut“, so Valendzik, „und wir versuchen natürlich, so viel als möglich selbst zu konstruieren.“ Wo andere zu PandemieBeginn im Frühjahr 2020 in Schockstarre verfielen, wurde hier unter Berücksichtigung von Hygienemaßgaben und Social-Distancing-Gebot konsequent weitergedacht, gewerkelt, gemacht und getan: „Wir nutzen jede freie Minute, um uns mit Themen wie Automatisierung, Zuund Abführungen von Roh- und Fertigteilen, Robotern etc. auseinanderzusetzen“, so Valendzik.
Konsistente End-to-End-Prozesse
Pressen zählen zum Kerngeschäft von WICKERT, die flankierende Infrastruktur ist eine vielversprechende Portfolio-Erweiterung. „Allerdings können wir inzwischen auch ganze Anlagen mit Kunden konstruieren“, erläutert Fischer. „Klar sind Aufträge aus dem Anlagenbau umfangreicher und komplexer, allerdings hilft auch hier neben den Konstruktionswerkzeugen wie AutoCAD und Inventor für die Layoutplanung ein PDM-System wie Vault. Da läuft alles glatt und sauber durch, schneller geht´s kaum. Zeichnungsteile werden in Vault angelegt und gehen über die Schnittstelle automatisch ins ERP. Das ist ja der Haupthebel durch Vault: Hier muss nichts mehr händisch erledigt werden. Im Gegenzug werden Einzel-, Kauf- und Normteile im ERP-System angelegt und landen über die Schnittstelle in Vault, um hier bearbeitet zu werden.“ Stammdaten sind für Fischer dabei wie eine heilige Kuh: „Sicher. Denn wenn es da Probleme gibt, zieht sich das wie ein roter Faden von Planung bis Fertigung durch.“
Sauberes und effektives Datenhandling fußt bei WICKERT zunächst auf immer gleichen Prozessen bzw. Methoden. Die 25 Konstrukteure bei WICKERT generieren anfangs neue Bauteile und Baugruppen in Inventor, AutoCAD und EPLAN Electric P8. Allerdings erst nachdem sie eine Standard-Abfrage in Vault gestartet haben: „Schon vorab wird beim Auftrag geprüft, ob eine ähnliche Maschine bereits gebaut wurde und als Vorlage dienen kann“, äußert sich Valendzik zur Wiederverwendung von Konstruktionen und Komponenten. „Über die Suchfunktion in Vault versuchen wir herauszufinden, ob baugleiche Teile verwendet werden können, wie beispielsweise ein Hauptzylinder mit 700 mm Durchmesser und 500 Hub. Dafür wurden ja Standard-Benennungen in Vault festgelegt, die im Kollegenkreis verwendet werden. Das ist also alles komplett hinterlegt.“ Nach Zeichnungsableitung und Artikelvergabe bei WICKERT erfolgt die Stücklistenerstellung in Vault; verwaltet werden in der Datenbank Daten zu Bauteilen, Baugruppen und Zeichnungen. Nach Freigabe der Bauteile wird über den Jobserver ein PDF erstellt und automatisch ins ERP gespielt. Der Einkauf verwendet die Dateien dann zur Teilebeschaffung. Produktion, Service und Vertrieb sind damit ebenfalls auf dem aktuellen Stand.
Direkte CAD-Integration – natürliche Akzeptanz
„Die Akzeptanz von Vault hat sich mit der Zeit deutlich erhöht“, berichtet Ronald Fischer, „das ist auch darauf zurückzuführen, dass das System seit Jahren stabil läuft und vieles, was früher über Sonderprogrammierungen abgedeckt werden musste, heute im Standard von der Anwendung abgedeckt wird.“ Die direkte Integration der Autodesk- und EPLAN-Werkzeuge in Vault sowie die Verwaltung der CAD-Daten in der vertrauten Benutzeroberfläche tun ihr Übriges. Jonathan Valendzik weiß, was seine Kollegen an Autodesk Vault im Alltag besonders schätzen: „Die Revisionsarchivierung zum Beispiel“ Das PDM-System erfasst automatisch Änderungen, speichert ältere Dateiversionen und erfasst den gesamten Verlauf der Konstruktion direkt aus der Zeichnung. Das kennzeichnet ein Kernfeature der Anwendung: Autodesk Vault bietet eine einzige zentrale Datenplattform, die Daten durchgängig sowie konsistent vorhält und grundsätzlich allen verfügbar macht – Konstruktion, Fertigung, Einkauf und Vertrieb. Damit ist zum einen die Abhängigkeit vom Kopfwissen einzelner Mitarbeiter minimiert, die durchaus auch einmal nicht greifbar sein können oder nicht anwesend sein dürfen wie angesichts des Social-Distancing-Gebots in Pandemie-Zeiten. Zum anderen ist eine größere Kontrolle über die Konstruktionsdaten bei Revisionen gegeben. Das wird umso wichtiger, je mehr Aufträge eingehen, wie es bei WICKERT in den letzten Jahren kontinuierlich der Fall war.
Unbeabsichtigtes Überschreiben wird damit vermieden und bei automatisierter Verwaltung von Änderungsaufträgen erschließt sich weiteres Produktivitätspotenzial. Die Suche nach Revisionen und Änderungsständen zur Kontrolle, ist bei WICKERT schnell und einfach erledigt, da alle Stände archiviert und abgerufen werden können. Zur tagesaktuellen Nachvollziehbarkeit trägt auch die Dashboard-Funktionalität in Vault bei, indem wie bei einem Schichtbuch ein klar verständliches, visuelles Feedback zum Projektstatus gegeben wird. Die neue Transparenz fördert insbesondere sequentielle Teamarbeit. Klar ist, dass Vault auch Kollaborationsszenarien wie die simultane Konstruktion unterstützt: intern z. B. bei der Konstruktion mechatronischer Bauteile sowie extern beim Austausch mit Fertigungszulieferern. „Durch die Exportfunktion können für den Kunden Layout und Zusammenstellzeichnungen per Knopfdruck ausgegeben werden.“
Daten als Schmierstoff – Daten als Treibstoff
Dass der intensiv genutzte Standard in Autodesk Vault gezielt um Sonderfunktionen ergänzt wurde, „ist damit zu erklären, dass wir uns das Leben immer einfacher machen wollen“, erörtert Valendzik, der speziell auf den Stapelplot abhebt: „Wir können mit einem Mausklick alle aktuellen Zeichnungen einer Presse, vielleicht 500 an der Zahl, inklusive Stücklisten ausgeben, ohne sie zusammensuchen zu müssen.“ Was früher eine zeitaufwändige und potenziell fehlerbehaftete manuelle Tätigkeit darstellte, erfolgt heute also automatisch. Wie so vieles andere in Autodesk Vault, um menschengemachte Fehler zu minimieren. Ronald Fischer hierzu: „Ein Arbeiten ohne Autodesk Vault ist kaum noch denkbar.“ Dies gilt auch für neue Mitarbeiter in der Konstruktion, die binnen 2, 3 Tagen fit fürs System gemacht werden. Fischer: „Die Einarbeitung geht relativ schnell über die Bühne.“ Dass Autodesk Vault die Prozesse von Konstruktion bis Fertigung wie ein gut geschmierter Hochleistungsmotor bei minimalem Verbrauch anschiebt, ist WICKERT zufolge auch ein unmittelbarer Effekt der guten Zusammenarbeit mit Implementierungspartner CIDEON: „Das ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe“, fasst Ronald Fischer zusammen. „Diese gute Vertrauensbasis haben wir uns über Jahre hinweg gemeinsam aufgebaut. Fakt ist doch: Niemanden interessiert, warum etwas nicht funktioniert. Was wir brauchen, sind Lösungen. Und CIDEON liefert Lösungen. Ein großer Vorteil ist zuletzt, dass wir auch dank des CIDEON Supports das System inzwischen selbst gut verstehen und damit relativ autark sind.“